Lügt der US-Notenbank-Vorsitzende Jerome Powell? Ich habe mir alte Aussagen des Fed-Vorsitzenden angeschaut und die aktuelle Situation der Vereinigten Staaten sowie unsere Modelle zur Inflationsrate herangezogen, um einen Ausblick auf die Entwicklung der US Inflation, die Glaubwürdigkeit Powells und seine aktuelle Zinspolitik zu geben. Das Ergebnis dürfte für Aufsehen sorgen!
p.s. Wenn du wissen willst, was das für dein Portfolio bedeutet, lies bis zum Ende ;)
Wir beginnen mit einem Zitat von Jerome Powell zur Zinspolitik vom 25. August 2023:
“We have tightened policy significantly over the past year. Although inflation has moved down from its peak—a welcome development—it remains too high. We are prepared to raise rates further if appropriate, and intend to hold policy at a restrictive level until we are confident that inflation is moving sustainably down toward our objective.” (Quelle: Federal Reserve Bank)
Inflationsrate verhindert niedrigeren Leitzins in den USA
Was passiert, wenn die Inflation in den Vereinigten Staaten das gesamte Jahr 2024 über 3 Prozent bleibt? Zinssenkungen dürfte es dann wohl nicht geben. Seit Anfang des Jahres hat der Markt bereits alle bis auf eine Zinssenkung ausgepreist. Zu Beginn des Jahres ging man noch von 6 Zinssenkungen in Höhe von -0,25 Prozent aus. Seit Januar warne ich davor, dass die Zinssenkungsphantasie des Marktes übertrieben sei. Wer sagt eigentlich, dass wir in der zweiten Jahreshälfte nicht sogar über Zinserhöhungen sprechen könnten?
Wie ich zu dieser Aussage zur Zinspolitik komme? Bevor wir dazu kommen, müssen wir kurz ein paar Grundlagen abarbeiten.
Die Zinspolitik der Federal Reserve Bank (Fed) verfolgt zwei, genauer gesagt drei Mandate. Das Mandat zur Preisstabilität sieht eine Inflation von 2,0 Prozent vor. Das zweite Mandat umfasst das Thema Vollbeschäftigung. Mit einer Arbeitslosenquote von lediglich 3,8 Prozent besteht hier aktuell kein Handlungsbedarf. Das Dritte, auch Schattenmandat genannt, besteht in der Aufgabe, den US-Staat solvent aussehen zu lassen.
Das bedeutet, die Fed versucht zu verhindern, dass das Schuldenproblem des US-Staates auch als solches wahrgenommen wird. Bislang übrigens mit erstaunlichem Erfolg. Oder würdest du einem Unternehmen Geld leihen, dass etwa ein Drittel seiner Umsätze für die Zinskosten seiner Schulden - Tendenz: Steigend - aufbringen muss? Wohl kaum.
Von den drei Mandaten dreht sich derzeit also alles um die Preisstabilität, das heißt, die Inflation in Richtung zwei Prozent bringen.
Will die Fed die Inflation senken, tut sie das in der Regel durch eine Anhebung des Leitzinses, im Fachjargon Federal Funds Rate genannt. Aktuell steht der Leitzins bei 5,25 bis 5,50 Prozent. Je höher der Zins, desto stärker steht die Wirtschaft unter Druck. Das inverse Verhältnis zwischen Industrieproduktion und US-Leitzins zeigt der folgende Chart. Die Zinspolitik entfaltet ihre Wirkung auf die Wirtschaft allerdings meist erst mit einer gewissen Verzögerung. In Schwarz siehst du den US-Leitzins, 14 Monate vorauslaufend. In Grün, die Entwicklung der US-Industrieproduktion.
Zurück zur Inflation: Die ist nämlich der Hauptgrund dafür, dass die Fed ihren Leitzins überhaupt derart stark anheben musste. Zur Erinnerung, hier nochmal das Zitat des Fed Vorsitzenden Jerome Powell aus dem August des vergangenen Jahres:
“It is the Fed's job to bring inflation down to our 2 percent goal, and we will do so. We have tightened policy significantly over the past year. Although inflation has moved down from its peak—a welcome development—it remains too high. We are prepared to raise rates further if appropriate, and intend to hold policy at a restrictive level until we are confident that inflation is moving sustainably down toward our objective.”
Gut. Powell sagt also, er sei gewillt, die Zinsen weiter anzuheben oder sie mindestens auf einem restriktiven Niveau zu belassen, bis man sich sicher sei, dass das Inflationsziel der Fed erreicht werde. Dann schauen wir uns doch mal an, was seitdem passiert ist.
Während seiner Äußerung im August lagen bereits die Zahlen für den Monat Juli 2023 vor. Die Inflation notierte damals bei 3,2 Prozent. Gleichzeitig herrschte sowohl bei den Anlegern als auch bei der Fed - durchaus nachvollziehbar - die Sorge vor einer Rezession. Was ist in den vergangenen acht Monaten passiert?
Hier ein paar Fakten:
Die Inflation notierte im Durchschnitt höher als 3,2 Prozent, sank also nicht (Link)
Die Wirtschaft entwickelte sich deutlich besser als gedacht (Link)
Der Aktienmarkt und Rohstoffpreise verzeichneten einen erheblichen Preisanstieg (Link)
Die 10-Jahres US-Inflationserwartung steht heute höher als damals (Link)
Zusammengefasst: Die Daten der vergangenen acht Monate sind eindeutig inflationär und lassen das Erreichen des zwei Prozent Ziels in weite Ferne rücken. Das würde - nimmt man dem damaligen Powell beim Wort - eigentlich eine restriktivere Haltung erfordern, als vor acht Monaten.
Was macht die Fed in der Realität? Jerome Powell redet inzwischen davon, künftige Zinsentscheidungen in Abhängigkeit neuer Daten treffen zu wollen.
Wow!
Die jüngsten Entwicklungen legen eigentlich nahe, dass die Fed nicht einmal über Zinssenkungen nachdenken dürfte. Wäre es nicht eher angebracht, der Inflation durch weitere Zinserhöhungen den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Ich denke schon. Warum aber verhält sich Powell derart unverantwortlich? Schließlich verletzt er damit sein Mandat, für Preisstabilität zu sorgen. Offensichtlich nehmen er und die Fed einen höheren Inflationswert in Kauf.
Steht der Fed-Vorsitzende vielleicht zwischen zwei Stühlen? Einerseits soll er die Inflation bekämpfen. Andererseits schaden höhere Zinsen der Wirtschaft und sorgen über sinkende Steuereinnahmen und steigende Zinskosten dafür, dass der US-Staat in arge Probleme kommt.
Fakt ist, dass die Fed im aktuellen Umfeld wenig Spielraum hat, die Zinsen tatsächlich zu senken. Um die künftige Richtung der Geldpolitik einzuschätzen, müssen wir uns die wahrscheinlichste Richtung der Inflationsrate vor Augen führen. Hierzu verwenden wir mehrere Modelle, von denen ich euch hier ein paar zur Verfügung stellen werde.
1. Der Basiseffekt: Inflation bekommt Gegenwind
Der Basiseffekt beeinflusst, inwieweit die Inflation durch unüblich starke Bewegungen aus dem vorangegangenen Jahr beeinflusst wird. Da wir in den Jahren nach der Pandemie stark schwankende Inflationsraten sahen, spielt der Basiseffekt nun eine wichtige Rolle. Der Chart zeigt den Vergleichsbasiseffekt für die US-Inflation. Hierbei wichtig: Ein steigender Basiseffekt macht das Absinken der Inflationsrate einfacher und vice versa. Während das Absinken der Inflation im Jahr 2023 noch durch einen steigenden Basiseffekt von +3,5 Prozent begünstigt wurde, dreht sich der Wind nun. Jerome Powell und die Fed dürften sich darüber alles andere als freuen.
2. Steigende Rohstoffpreise treiben Inflation weiter in die Höhe
Allen voran der Ölpreis ist entscheidend für die Entwicklung der Inflationsrate. Das zeigt zum Beispiel auch der direkte Zusammenhang zwischen dem Ölpreis und der Inflationserwartung des Marktes, die in der Regel Hand in Hand gehen. Den vergangenen Sommer über handelte der WTI-Ölpreis in einer Bandbreite von 67 und 74 US-Dollar. Wie wirkt sich der aktuelle Ölpreis wohl auf die Inflation aus, wenn dieser zwischen 12 und 24 Prozent über den Preisen des Vorjahres notiert?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Jerome Powell sich dessen nicht bewusst ist. Auch die langfristigen Inflationserwartungen des Marktes sind infolge des Anstiegs der Rohstoffpreise zuletzt deutlich angestiegen. Damit sprechen zwei äußerst relevante Faktoren gegen ein Absinken der Inflation auf zwei Prozent. (Mehr über relevante Hintergründe zur Inflation findest in meinem Inflation-Guide)
3. Starke Wirtschaft und enger Arbeitsmarkt verhindern niedrigere Inflation
Einerseits können wir uns freuen, dass die USA das so gefürchtete Szenario einer Rezession wohl doch noch verhindern können. Doch des einen Freud ist bekanntlich des anderen Leid. Das stärker als erwartete Wirtschaftswachstum trifft auf einen nach wie vor aus dem Gleichgewicht geratenen Arbeitsmarkt. Wie soll es rein mathematisch überhaupt möglich sein, dass die Wirtschaft um drei Prozent wächst, ohne dies ohne die entsprechenden Arbeitnehmer zu bewerkstelligen?
Die Arbeitslosenquote notiert nahe ihres Rekordtiefs und seit Jahren gibt es mehr offene Stellen als Arbeitssuchende. Unternehmen konkurrieren also um Arbeitskräfte, was zu höheren Löhnen führt. Und höhere Löhne beleben nun mal die Nachfrage, die sich inflationär auf die Preise von Konsumgütern auswirkt. Eine allzu starke Entwicklung der Wirtschaft steht also im direkten Kontrast zum Ziel, die Inflation in den Griff zu bekommen. Wie stark sich die Wirtschaft tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten.
Fazit: Jerome Powell begeht einen Fehler zugunsten von Janet Yellen
Angesichts vergangener Äußerungen Powells gehe ich davon aus, dass der Fed Vorsitzende sich durchaus dessen bewusst ist, dass die Inflation nicht in Richtung zwei Prozent läuft. Möglicherweise findet er Gefallen an der Vorstellung, als der Vorsitzende in die Geschichte einzugehen, der die Inflation bezwingen und gleichzeitig eine Rezession verhindern konnte. In dem Fall dürfte er die mittelfristigen Folgen für die Preisstabilität unterschätzen. Nicht auszuschließen ist allerdings auch die Idee, dass Jerome Powell von Yellen höflich daran erinnert werden musste, dass der US-Staat sich keine weiteren Zinssenkungen leisten kann. Im Grunde haben allein die Spekulationen über sinkende Zinsen dazu geführt, dass der US-Staat mehr Zeit bekommt. Selbst ohne, dass es seither zu tatsächlichen Zinssenkungen kam. Über ein halbes Jahr konnte sich das US Treasury Department zu weitaus günstigeren Zinsen am Anleihemarkt finanzieren, als dies bei einer restriktiven Haltung Powells der Fall gewesen wäre.
Meiner Auffassung nach wird es nun aber wahrscheinlicher, dass uns die rhetorisch lockere Zinspolitik zur nächsten Inflationswelle geführt hat. Die Fed könnte sich schon bald gezwungen sehen, wieder eine restriktive Haltung einzunehmen. Solange, bis systemrelevante Verwerfungen an die Oberfläche treten oder der Markt die Schuldensituation der USA als das einstuft, was sie ist. Eine Schuldenkrise, wie wir sie sonst nur von Schwellenländern kennen, die sich entweder durch eine Depression (unwahrscheinlich) oder eine Phase deutlich (!) höherer Inflationsraten und negativer Realzinsen lösen lässt.
💰Was bedeutet das für mein Portfolio?
Ich gehe davon aus, dass die Inflation eher nach oben, als nach unten überraschen wird. Das birgt ein gewisses Potenzial für Enttäuschung. Dasselbe gilt für die Zinspolitik von Jerome Powell, sodass wir über höhere Inflationsraten und höhere Zinsen als derzeit erwartet sprechen.
Manchmal geht es nicht nur darum, welche Investitionen man deshalb tätigen sollte, sondern darum, was es zu meiden gilt. Anleihen mit längeren Laufzeiten aus den Industrienationen gehören aus meiner Sicht weiter an die Seitenlinie und sollten keine gewichtige Rolle im Portfolio spielen. Zu hoch ist die Korrelation zwischen Aktien und diesen Anleihen, sodass man mitunter vergeblich auf den von vielen zurück erhofften Diversifikationseffekt dieser Anlageklassen wartet.
Wer profitiert von der Inflation?
Profitieren könnte dagegen der Rohstoffmarkt. Zumindest, solange bis die Zinsen in den USA ein Niveau erreicht haben, das sich tatsächlich restriktiv auf die Wirtschaft auswirkt. Es scheint im Bereich des Möglichen, dass wir es zunächst mit einem steigenden Wirtschaftswachstum, seitwärts oder aufsteigend laufenden Inflationsraten und einer zu lockeren Geldpolitik zu tun bekommen.
In dem Fall könnte der Energie-Sektor andere Branchen in den Schatten stellen. Ebenfalls positiv könnte das Umfeld für den US-Dollar sein. Doch Vorsicht: Ein allzu starker US-Dollar, steigende Anleiherenditen und höhere Rohstoffpreise können über die Zeit die Zinserwartungen wieder in die Höhe schnellen lassen. Hier gilt es, wachsam und in der Lage zu sein, kurzfristig Anpassungen vorzunehmen.
Die kommenden Monate bleiben also spannend, wir bekommen etliche Datenpunkte, die meine Hypothese unterfüttern oder widerlegen können. Über die relevanten Entwicklungen halte ich dich hier auf dem Laufenden.
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